Küchenmagd Grete führte eine Aka-Gruppe durch das Jagdschloss Kranichstein
Mit weißem Häubchen und weißer Schürze herausgeputzt, erwartete Küchenmagd Grete vor dem Museum Jagdschloss Kranichstein ihre Gäste von der Akademie 55plus und Patricia Gropp, Ansprechpartnerin für Theater und Musik bei der Aka und Organisatorin dieses Ausflugs in Darmstadts Vergangenheit.
Das besondere Interesse der Küchenmagd galt den Männern in der Gruppe, weil sie davon ausging, dass diese sich als Hilfsarbeiter für das nächste Bankett bewerben wollten. Spielerisch entführte Frau Grete die Besucherinnen und Besucher in die Zeit von Landgraf Ludwig VIII. (1691 – 1768), der das Jagdschloss einst bewohnt hatte und Jagdlandgraf genannt wurde, weil er viel Geld für sein Hobby Jagen ausgab. Dabei konnte er sich diesen Luxus wegen der auch damals schon klammen Darmstädter Haushaltslage gar nicht leisten. Die bei den Hirschjagden erbeuteten Geweihe schmücken nun die lange, mit Gemälden von Jagdabenteuern dekorierte Galerie des Schlösschens. Die Hirschköpfe sind aus Holz geschnitzt und lächeln, als wenn sie sich über ihr trauriges Schicksal freuen würden.
Küchenmagd Grete führte vor, wie die große Festtafel bei Banketten geschmückt wurde. Drei Tischdecken werden so aufeinandergelegt, dass sie auf der einen Seite fast zum Boden reichen – und damit wie ein Vorhang die schmutzigen Stiefel der Essensgäste auf der anderen Seite verdecken. Als erstes wird ihnen ein Schaustück aufgetischt – in diesem Fall ein Schweinskopf mit einem Apfel zwischen den Hauern. Dann wird der Landgraf bedient. Wenn er satt ist und den Tisch verlässt, müssen alle aufstehen und seinem Beispiel folgen, auch wenn sie noch Hunger haben. Die Vogelpastete im Teigmantel ist mit Federn und Kopf des Tieres – Ente oder Fasan – geschmückt. Man isst sie mit einem Brötchen und benutzt dazu eine zweizinkige Gabel, aber um Himmelswillen keine dreizinkige, weil die den Teufel symbolisiert. Nach dem Gericht mit Fischen aus dem nahen Teich werden Flusskrebse und Austern - drei bis vier Dutzend pro Gast - aus dem Rhein serviert, die ein Hoflieferant besorgt. Der Frankfurter Importeur Brentano sorgt für Oliven, Zitronen und Datteln aus dem Süden. Wer immer noch Platz im Magen hat, kann ihn mit Wildbretbraten, der am Tisch aufgeschnitten wird, füllen. Zur Abrundung des Festmahls gibt es Obst und kandierte Zitronen, und dazu spielte der Leibdiener Dudelsackmusik. Die Diener schenken den Gästen jedes einzelne Glas Wein aus Karaffen ein, in denen ein Bezoar etwaige Giftstoffe binden sollte. Das ist ein Magenstein eines Tieres, dem magische Kräfte zugesprochen werden.
Für ihre Dienste wird Küchenmagd Grete mit 15 Gulden pro Jahr bezahlt. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass sich der Landgraf Zitronen leistete, von denen 100 Stück zehn Gulden kosteten – und im Jahr 6000 Zitronen gebraucht wurden. Warum der Landgraf, der als cholerisch und später als melancholisch galt, so viele Jagden und Bankette veranstaltete, hatte einen einfachen Grund: Er wollte Stärke zeigen und den anderen Adligen imponieren. Gespart wurde an ganz anderen Stellen, etwa bei den Farben der Jagdgemälde. Auf ihnen überwiegen Grün- und Brauntöne, die laut Küchenmagd Grete preiswert zu haben waren. Zum Schluss des Rundgangs führte sie die Aka-Gruppe in das bereits für eine Hochzeitsfeier geschmückte Rondellzimmer. Die Windrose an der Decke zeigt an, aus welcher Richtung der Wind gerade weht. Ein wichtiger Hinweis für Jäger, die vom Wild nicht gewittert werden wollen. Mit der Abnahme ihres Häubchens deutete die Küchenmagd an, dass die imaginierte Zeitmaschine wieder im Hier und Heute angekommen ist, in einer Zeit mit wesentlich komfortableren Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Text und Fotos: Petra Neumann-Prystaj / 30.10.2025

