Den Eindruck, dass es sich bei Worms um eine der ältesten Städte Deutschlands handelt, hatte die Gruppe der Aka 55plus nicht, die unter Leitung von Sigrid Geisen vom Hauptbahnhof zum Treffpunkt mit der Stadtführerin eilte. 50ger-Jahre-Fassaden dominieren die Fußgängerzonen der im letzten Kriegsjahr schwer zerstörten Stadt.
Am Siegfriedsbrunnen wartete geduldig die Stadtführerin Frau Schmitt. Mit mehr als einer Stunde Verspätung konnte die Themenführung „Auf den Spuren der Nibelungen“ beginnen.
Sein mittelalterliches Heldenepos, das Nibelungenlied, hat der unbekannte Autor in Worms vor allem in der Umgebung des mächtigen romanisch-gotischen Doms angesiedelt. Hier finden die dramatischen Ereignisse statt, die das Schicksal der Nibelungen bestimmen.
Das Epos handelt von Prunk, Machtgier, Liebe, Eifersucht, Verrat, Hass und Krieg.
Die Schilderungen der Stadtführerin ließen Bilder aus dem Nibelungenlied in der Fantasie der Zuhörenden entstehen. Auf einer Wiese im heutigen Heylshofpark nahm der prunkvolle Hofstaat der Burgunder Gestalt an, im Dom die Doppelhochzeit der Königinnen (Krimhild und Siegfried, Brunhild und Gunter). Im Pflaster des Domplatzes eingelassen ist der Weg, den Krimhild und Brunhild zum Domtor zurücklegten, vor dem der Streit darüber stattfand, wer von ihnen würdig sei, als erste die Kirche zu betreten. Es war Kriemhild, die sich den Vortritt verschaffte. Sie demütigte Brunhild, indem sie ihr verriet, dass Siegfried derjenige war, ohne dessen Hilfe Gunter sie nicht hätte für sich gewinnen können. Damit war Siegfrieds Schicksal - wie man aus der Sage weiß - besiegelt und der Grundstein für den Rachefeldzug Kriemhilds gelegt.
Es war eine gelungene Führung auf den Spuren der Nibelungen, die keine Spuren hinterlassen konnten, da sie nur im Reich der Sage existieren. Und doch sah man, indem man auf ein paar Mauerreste schaute, vor sich die Kemenate Kriemhilds, vor deren Tür Hagen die Leiche Siegfrieds abgelegt hatte.
Umgeben von Wiesen und Bäumen zeigte Frau Schmitt der Gruppe den Dom, der teilweise von unschönen Gebäuden verdeckt wird, von seinen schönsten Seiten.
Zum Besuch des Denkmals von Hagen am Rhein reichte die Zeit nicht mehr. Dargestellt wird, wie dieser den Schatz der Nibelungen in den Rhein schleudert, damit Kriemhild mit diesem keinen Rachefeldzug organisieren kann. Bekanntermaßen ohne Erfolg. Und dass noch niemand den Schatz gefunden hat, verwundert nicht wirklich.
Ein Spaziergang durch die Grünanlagen rund um den Stadtkern ließ die architektonisch wenig attraktive Innenstadt fast vergessen. Zumal man hier auf Spuren stößt, die historisch von großer Bedeutung sind. Das Lutherdenkmal erinnert daran, dass dieser in Worms vor dem Reichstag seine Thesen widerrufen sollte. Das jüdische Erbe der Stadt gehört mit dem in Mainz und Speyer zum Weltkulturerbe.
Nach den Erfahrungen vom Vormittag war man in Bezug auf die Rückreise mit der Bahn auf einiges gefasst. Aber wie durch ein Wunder waren beide Züge pünktlich.
Noch ein Hinweis zum Schluss: In Worms finden vom 12. - 28.06. die alljährlichen Nibelungen Festspiele statt.
Text: Margret Wendling / Fotos: Ernst Wannemacher / 25.04.2024