Einblicke in die abgeschottete Gefängniswelt des Fritz-Bauer-Hauses
Es muss immer etwas Besonderes sein: Das nimmt sich Aka-Kursleiter Dieter Friedrich jedesmal vor, wenn er sich neue Kursangebote für die Aka ausdenkt. Vor nicht allzu langer Zeit ist es ihm gelungen, die Leiterin des Weiterstädter Gefängnisses in den Aka-Vortragsraum einzuladen.
Was sie erzählte, war zwar spannend, aber der (leider nicht mögliche) Besuch ihrer Justizvollzugsanstalt, der größten inHessen, hätte den Aka-Mitgliedern ein noch eindrucksvolleres Bild von den Haftbedingungen vermitteln können als ihr Vortrag.Diesmal war es anders. Dank Dieter Friedrichs Voranmeldung öffnete sich die unauffällige Eingangstür neben dem großen quietschenden Stahltor des Eberstädter Fritz-Bauer-Hauses für eine kleine, neugierige Aka-Gruppe. Sie durfte sich in zwei Stunden einen ungefähren Überblick über das Leben jenseits der Gefängnismauern verschaffen.
Die Aka-Mitglieder fingen sofort an, den Justizvollzugsbeamten Schober und die Amtsinspektorin Miegel mit Fragen zu löchern und bekamen von ihnen ungeschönte Antworten. Das Fritz-Bauer-Haus, ein reines Männergefängnis und eines von 16 hessischen Haftanstalten, hat die Sicherheitsstufe 2 – die JVA Weiterstadt die Sicherheitsstufe 1. In Eberstadt verbringen Verurteilte mit einer Haftstrafe bis zu 24 Monaten ihre Zeit, „aber wir hatten auch schon Mörder“, sagt Schober. Mörder, die - aus anderen Gefängnissen kommend - dort ihre Reststrafe verbüßten. Es gibt 422 Haftplätze – so wird das volkstümliche Wort „Zelle“ höflich umschrieben - 186 Bedienstete und drei Vollzugsabteilungen, von denen jede einen Psychologen hat.
Der erste Eindruck vom Innenleben des Gefängnisses war freundlich: Eine Ecke des Besuchszimmers ist mit Spielzeug ausgestattet, und an den Wänden hängen Kunstwerke, mit denen die Inhaftierten während der Corona-Zeit ihre Gefühle malend zum Ausdruck bringen konnten. In diesem Raum dürfen verurteilte Vater zu bestimmten, streng limitierten Zeiten mit ihren Kindern spielen, damit sie den Kontakt zu ihnen nicht verlieren.
Jeder Gefangene kostet den Staat pro Tag 150 Euro. Das Essen wird in der Küche des Gefängnisses zubereitet, die Wäsche in Frankfurt, im Frauengefängnis, gewaschen, und die Backwaren für alle südhessischen Gefängnisse werden aus Wiesbaden angeliefert.
Das 1969 eröffnete Fritz-Bauer-Haus ist nach dem Generalstaatsanwalt Fritz Bauer benannt, der sich für den humanen Strafvollzug einsetzte. Human bedeutet allerdings auch, dass die Häftlinge nicht zur Arbeit oder zur Aufnahme einer Lehre gezwungen werden können. Es gibt also welche, die sehr viel Zeit in ihrer nur mit dem Notwendigsten ausgestatteten Zelle verbringen. Die Zellen werden regelmäßig kontrolliert, um Schlupflöcher aufzuspüren. Manche Insassen bringen heimlich Hohlräume am Tisch oder am kleinen Kühlschrank an, um dort Drogen oder ein Handy verstecken zu können.
Wer arbeitswillig ist, bekommt 11 Euro Lohn pro Tag und, wenn er sich für eine Ausbildung entscheidet, noch ein paar Euro mehr. Dieses Geld wird für den Einkauf kleiner Bequemlichkeiten verwendet – Kaffee, Tabak, Seife, Leih-Fernsehgebühr.
Im Fritz-Bauer-Haus kann man unter anderem in Mediengestaltung, in der Schlosserei oder Schreinerei ausgebildet werden. Hauptkunden der Gefängnisdruckerei, in der bis zu acht Gefangene eine zweijährige Ausbildung machen können, sind das Land Hessen und die Behörden, aber es werden auch Aufträge von Privatpersonen angenommen. Ein kleiner Preisvorteil ist, dass für die gedruckten Produkte – noch – keine Mehrwertsteuer berechnet wird.
Was geschieht, wenn Inhaftierte randalieren und zur Gefahr für sich und andere werden? Dann werden sie in einem „besonders gesicherten“ Haftraum so lange isoliert, bis sie sich beruhigt haben. Auch ein Bett, auf dem sie fixiert werden können, steht bereit. Es wurde nicht verschwiegen, dass es gelegentlich Streitereien unter den Häftlingen, seltener Attacken gegen Justizvollzugsbeamte, gibt. In Abwehrtechniken geschult, dürfen sich die Beamten notfalls mit Pfefferspray und Schlagstock zur Wehr setzen. Vor allem aber können sie in Sekundenschnelle Hilfe und Unterstützung herbeifunken. Die Gefangenen essen in ihren Hafträumen zu Mittag, was sich offenbar bewährt hat. Denn als es noch einen Gemeinschaftsraum gab, hatten sich die Konflikte gehäuft.
Mit ihrer Berufswahl sind die beiden Gesprächspartner der Aka-Gruppe durchaus zufrieden, weil im Fritz-Bauer-Haus kein Tag wie der andere verlaufe. Ernüchternd fanden die Aka-Mitglieder Schobers Prognose, dass er etwa 60 Prozent der Delinquenten nach ihrer Entlassung wieder sehen werde, weil sie trotz humanen Strafvollzugs, Arbeits- und Ausbildungsangeboten doch wieder in den Sog von Alkohol, Drogen und schlechter Gesellschaft geraten.
Negative Begegnungen mit den „Bad Boys“ kann Schober gut verkraften: „Mein Privatleben findet außerhalb der Mauern statt“.
Text und Foto: Petra Neumann-Prystaj