Aka unterwegs mit Gästeführerin Silke Wustmann am 6. September

Frankfurt steckt voller Geschichten und Überraschungen, und unter den Aka-Mitgliedern hat sich längst herumgesprochen, dass die Frankfurter Gästeführerin Silke Wustmann sie besonders unterhaltsam und vergnüglich zu präsentieren weiß. Diesmal hatte sie für die Aka-Gruppe das Hauptthema „Frankfurter Liebespaare“ ausgewählt und vorausgeschickt, dass sich tragische Aspekte dabei nicht vermeiden ließen, der Name Goethe nicht vorkommen, aber letztlich alles rosarot enden werde.

Die Führung begann am Frankfurter Römer. Eine Madonna mit Kind schmückt eine Ecke des Steinernen Hauses, das gleich am Anfang der Frankfurter neuen Altstadt steht. Der Sage nach soll ihr Gesicht jener Ursula, Tochter des steinreichen Händlers Melem, nachempfunden sein, die sich in den armen, unstandesgemäßen Bildhauer der Statue verliebt und daher keine Lust hatte, einen vom Vater für sie ausgewählten Kölner Kaufmann zu ehelichen. Weil sie den Liebsten nicht haben konnte, gelobte sie, niemals zu heiraten. „Schau nicht so traurig wie wie Madonna vom Steinernen Haus“, wurde in Frankfurt bald zum geflügelten Wort. Die historische Ursula aber, so hat Silke Wustmann recherchiert, war entgegen der Legende sogar zweimal verheiratet.

Nächster Stopp: Nürnberger Hof. Im 16. Jahrhundert war das weitläufige, inzwischen teilweise rekonstruierte Gebäude die Handelsvertretung der Nürnberger Kaufleute gewesen. Nachdem die Frau des Besitzers Glauburg bei der Geburt ihres siebten Kindes gestorben war, dachte sich der Witwer eine originelle Methode aus, um eine neue Frau zu finden. Er ließ eine Art Serienbrief schreiben und über seine Handelspartner bis nach Nürnberg, das fünf Tagereisen entfernt war, verbreiten. In dem Brief bot er sich – ohne Namensnennung – als gute Heiratspartie für eine tugendsame Dame von edler Abstammung an. Tatsächlich gelang es dem Einundvierzigjährigen, auf diese Weise die Eltern einer Sechzehnjährigen aus Nürnberg und auch sie selbst für sich zu interessieren. Die Briefe, die ihm das Mädchen schrieb, sind noch erhalten, und Silke Wustmann erzählte, dass sie bei der Lektüre gerührt war, als sie ein in den Text eingefügtes Herzchen entdeckte. Offenbar hat das junge, durchaus selbstbewusste Mädchen den älteren Herrn gemocht. Die Hochzeit wurde „bescheiden“ gefeiert, weil es ja schließlich die zweite Eheschließung war. Bescheiden bedeutete, das 280 Personen die Kirche besuchten und für das Festmahl 1000 Gulden ausgegeben wurden, davon allein 650 Gulden für Wein. 1000 Gulden entsprachen damals dem Jahresetat für den Patrizierhaushalt Glauburg. Die Braut, bei der Eheschließung erst siebzehn, wurde nur 30 Jahre alt: Sie starb im Wochenbett nach der Geburt ihres fünften Kindes.

Vor dem Rententurm am Historischen Museum erzählte Silke Wustmann die Lebensgeschichte von Annett Stoltze, der Schwester des Heimatdichters Friedrich Stoltze. Sie war eine glühende Republikanerin und versorgte den im Rententurm inhaftierten politischen Gefangenen Christian Heinrich Eimer, der wegen seiner roten Haare den Spitznamen „Feuerhahn“ trug, mit Speisen, Getränken und Hilfsmitteln für die Flucht. Mehrfach wirkte sie bei Befreiungsaktionen für ihn und andere Patrioten mit, doch der junge Heidelberger wurde jedesmal wieder geschnappt. „Er war halt ein Dabbes“, meinte Silke Wustmann. Der schwangeren Annett Stoltze wurde der Prozess gemacht. Das Urteil: vier Wochen Arrest wegen Konspiration und Beihilfe zur Gefangenbefreiung. Kurz darauf starb die Siebenundzwanzigjährige. Sie hat nie verraten, wer der Vater ihres Kindes war. „Feuerhahn“ aber wurde nach abenteuerlichen Umwegen Arzt in Freiburg und schrieb als alter Mann seine Memoiren, in denen die Frau, die so viel für ihn riskiert hatte, mit einem Satz erwähnt wird: „In Frankfurt kannte ich auch ein Fräulein Stoltze“.

Der Geschichtenreigen endete wie versprochen rosarot mit der Beschreibung der Ehe vom evangelischen Friedrich Stoltze, dem „lutherischen Dickschädel“, und seiner katholischen „Marie“. Sie hatten elf Kinder, heirateten aber erst nach der Geburt des dritten Kindes, und dann auch nur evangelisch. Es war die erste Frankfurter „Mischehe“, die von der katholischen Kirche allerdings nie anerkannt wurde. Darüber setzte sich Stoltze in einem spöttischen Gedicht hinweg und äußert darin die Gewissheit, dass Marie und er trotzdem in den Himmel kommen werden.

Diese und andere Geschichten hat Silke Wustmann zur Freude vieler ihrer Fans aufgeschrieben und als Buch veröffentlicht.

Nach dem kurzweiligen Rundgang ging es zurück zum Römerberg und zu einem Lokal, das Aka-Mitglied Ingrid Scheffler als krönenden Schlusspunkt dieses gelungenen Bahnausflugs nach Frankfurt ausgewählt hatte.

Text: Petra Neumann-Prystaj

 

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