Vor sieben Jahren besuchte eine Gruppe der Akademie 55plus Namibia. Ihr Reiseorganisator war Peter Wagener. Jetzt präsentierte er im vollbesetzten Saal des Literaturhauses einen umfassenden Multi-Media-Vortrag über dieses faszinierende Land, rund 11.500 km von Darmstadt entfernt.
Petra Neumann-Prystaj, die damals Teilnehmerin war, moderierte den spannenden, fast zweistündigen Vortrag, der viel mehr war als ein Reisebericht.
Peter Wagener ist ein promovierter Sprachwissenschaftler. 24 Jahre war er am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim tätig, darunter zehn Jahre lang als Leiter des Deutschen Spracharchivs. In den Beständen dieses Archivs, das seit mehr als 70 Jahren Tonaufnahmen deutscher Dialekte und Umgangssprachen aus Deutschland und von Deutschstämmigen aus aller Welt sammelt, gab es eine Lücke: Aufnahmen aus Südafrika und Namibia.
Sein letztes Projekt vor dem Ruhestand führte ihn deshalb ins südliche Afrika: viele Male hat er in dem afrikanischen Land geforscht, Sprachaufzeichnungen von dort lebenden Deutschstämmigen gesammelt, Interviews mit ihnen gemacht und nebenbei viele Einzelheiten über ihr Leben erfahren. Herauszufinden galt, wie sich die ursprüngliche deutsche Sprache der Einwanderer entwickelt, ob und wie sie sich mit den Landessprachen vermischt hatte. In seinem Ruhestand hat Peter Wagener dann gezielt Tonaufnahmen der Auswanderungs- oder Familiengeschichten vieler Deutschstämmigen aus dem südlichen Afrika gesammelt. Einige Ausschnitte daraus hat er uns vorgespielt.
Namibia ist ein Staat im südlichen Afrika und nach der Mongolei das am zweitdünnsten besiedelte Land der Welt. Nur etwas mehr als drei Millionen Einwohner - davon sind ca. 25.000 deutschstämmig - leben in diesem etwa 825.000 Quadratkilometer großen Land (das ist mehr als das Doppelte der Bundesrepublik). Die größte Bevölkerungsgruppe bilden die Ovambo. Der älteste Stamm sind die San (Buschmänner). Die Hauptstadt ist Windhoek.
Wie kamen die Deutschen in diesen Teil der Welt? Nicht unbedingt zu friedlichen Zwecken. 1884 wurde das Land zum „Schutzgebiet des Deutschen Reiches“ erklärt und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine deutsche Kolonie mit dem Namen Südwestafrika. 1920 stellte der Völkerbund das Gebiet unter die Mandatsverwaltung von Südafrika. Erst 1990 erfolgte nach dem Namibischen Befreiungskampf die Unabhängigkeit von Südafrika.
Die namibische Wirtschaft ist stark geprägt durch Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau. Diamanten, Uran, Gold, Silber und seltene Metalle werden abgebaut. Die Landschaft ist überwiegend karg. Der Referent zeigte eindrucksvolle Bilder von endlosen Straßen, leeren Flüssen, großen Termitenhaufen und immer wieder einsam gelegenen Farmen.
Stichwort Bodenschätze, und hier besonders: Rohdiamanten. Im Jahr 1908 brach das Diamantenfieber aus. Ausgelöst wurde es durch den Fund eines Rohdiamanten. Zahllose Schatzgräber verschlug es in die Siedlung Kolmannskuppe, in der Nähe von Lüderitz. Für kurze Zeit war es die reichste Stadt des Landes, heute ist es zerfallen, eine Geisterstadt, die aber immer noch von Touristen gern besucht wird.
Viele Tiere tummeln sich in diesem Teil der Erde, z.B. Löwen, Leoparden, Elefanten, Antilopen, Nashörner, Nilpferde, und für Namibia besonders typisch Geparden, Giraffen und Erdmännchen.
Zurück zu den sprachlichen Phänomenen. Die schon erwähnten San sprechen einen Dialekt, der zu den Khoisansprachen gehört. Typisch sind die Schnalz- und Klicklaute. Dieser Stamm ist der älteste in Namibia, sein Rückzugsgebiet ist die Region Omaheke (Buschmannland). Sie verfügen über Fähigkeiten, die anderswo nicht zu finden sind, z.B. das Aufspüren von Tieren.
Aber natürlich ist auch in Namibia die Zeit nicht stehengeblieben. Eine heile Welt gab es übrigens auch dort nie: Rassismus, Gewalt, Unterdrückung, Fremdherrschaft und vor allem die Vernichtungskriege der „Schutztruppe“ in der deutschen Kolonialzeit gegen die Hereros und die Namas - all das mussten die Bewohner erleiden. Aber es gibt Hoffnung, denn, wie schon erwähnt, ist Namibia seit 1990 unabhängig. Und der Übergang in eine stabile Demokratie vollzog sich, sagt Peter Wagener, „ziemlich lautlos“.
Zum Schluss gibt es noch zwei Buchempfehlungen für all jene, die nach dem Vortrag neugierig geworden sind und noch mehr wissen möchten. Hier sind sie =>
Uwe Timm: Morenga
Andrea Paluch/Robert Habeck: Der Schrei der Hyänen
Dieses Buch ist zurzeit vergriffen und erscheint in Neuauflage im Juni. Neuer Titel: Die zweite Heimat der Störche.
Text: Heidrun Bleeck / Fotos: Peter Wagener / 18.02.2025
Der Podcast „Conni Reimann in Namibia“ ist jetzt online!